„Schrottimmobilien“ Vertrieb - Freiheitsstrafen waren die Folge

„Schrottimmobilien“ Vertrieb – Freiheitsstrafen waren die Folge

Die Rechtsordnung schützt Opfer vor betrügerischen Kapitalanlagegeschäften. Ein sehr wichtiges Urteil war die Entscheidung des obersten deutschen Gerichts in Strafsachen vom 08.10.2014, nachdem vielfach überteuerte Immobilien an Kleinanleger verkauft worden waren. Im Gespräch mit Thomas Friese, Unternehmensberater in Oldenburg, die Fragen stellte Dr. Thomas Schulte, Berlin.

Mit Urteil vom 08.10.2014 (AZ:: 1 StR 359/13) hatte der Bundesgerichtshof über die Strafbarkeit im Zusammenhang mit dem Vertrieb überteuerter und unrentabler Eigentumswohnungen an Kleinanleger (sogenannte „Schrottimmobilien“) entschieden. Dabei wurden Freiheitsstrafen von 7 Jahren und 6 Monaten und 5 Jahren und 3 Monaten wegen gewerbs- und bandenmäßig begangenen Betruges aufrechterhalten. Der Sachverhalt, der den Angeklagten zur Last gelegt wurde, war besonders raffiniert. 

Frage Dr. Thomas Schulte: Worum ging es?

Thomas Friese: Es wurden Eigentumswohnungen überteuert verkauft. Aber nach heutigen Maßstäben waren die Wohnungen preiswert, vor zehn Jahren allerdings teuer. Den Käufern ging es aber gar nicht um Immobilien, sondern um Bargeldzuflüsse und Finanzsanierungen. Nach den Feststellungen des Bundesgerichtshofes haben die Angeklagten ein Strukturvertriebssystem aufgebaut, welches darauf abzielte, über Haupt- und Untervermittler neue Kunden anzuwerben, die entweder bestehende Altkredite tilgen oder ihre monatliche Belastung für anderweitige Verbindlichkeiten reduzieren wollten. Den Vermittlern wurde dann nach Abschluss des Immobilienkaufvertrages eine Provision von 20 bis 25 Prozent des erzielten Kaufpreises gezahlt. Die Immobilienkäufer befanden sich in finanziell schwieriger Lage und hatten in der Regel überhaupt kein Interesse am Erwerb einer Immobilie als Wertanlage.

Frage Dr. Thomas Schulte: Wie ist die Situation heute?

Thomas Friese: Soweit erkennbar, ist die Masche nicht mehr relevant. Das Urteil ist aber immer noch ein klares Signal an Verkäufer und Vertriebe es mit der Schönrechnerei eines Immobilienerwerbs nicht zu übertreiben. 

Rechtliche Anmerkung

Anmerkung Dr. Thomas Schulte: Den betrogenen Immobilienkäufern ging es eigentlich darum, ihre monatlichen Verbindlichkeiten  zu reduzieren, dazu suchten diese Hilfe und Rat. Im Rahmen mehrerer Gespräche erarbeiteten dann die Untervermittler einen Umschuldungsplan, ohne dabei über einen Immobilienkauf deutlich zu sprechen. Vielmehr wurde ohne das Wissen der späteren Kunden deren Bonität für eine Immobilienfinanzierung abgeklopft. In diesem Zuge wurden die Darlehen auch von den Vertriebsorganisationen bereits in die Wege geleitet, während dem Kunden im Rahmen eines Rechenbeispiels plausibel dargestellt wurde, dass durch einen Immobilienkauf und die sich daraus ergebenden Steuervorteile einerseits und die Mieteinnahmen andererseits bei gleichzeitiger Tilgung der Altverbindlichkeiten künftig eine geringere monatliche Belastung zu erreichen sei. Fatal für die betroffenen Immobilienbesitzer, dass dabei die Steuervorteile zu hoch dargestellt, die Laufzeiten der Darlehen zu kurz angegeben und die Kosten für das anfallende Hausgeld komplett unerwähnt gelassen wurde. Teilweise fand noch nicht einmal die Tilgung der Altschulden statt.

Überforderung des Kunden statt Beratung

Den Kunden teilte man dann häufig erst beim Weg zum beurkundenden Notar mit, dass hier für die Umschuldung ein unverbindliches Kaufvertragsangebot unterzeichnet werden sollte, welches dann jedoch schnell vom Verkäufer bindend angenommen wurde. Zeit zum Überlegen, Prüfung und zum Nachfragen war damit von Anfang an unterbunden.  Die Dreistigkeit steigerte sich dahingehend, dass den angesprochenen Banken für die Finanzierung teilweise falsche Kredit Parameter übermittelt, also etwa ein höheres Einkommen oder Eigenkapital der Kunden vorgespiegelt wurde. Darum ging es insbesondere. Die Rechtsfrage wurde geklärt: Bei den unzutreffenden Angaben über die Höhe des monatlich zu erbringenden Eigenanteils handelte es sich nicht lediglich um Werturteile oder unverbindliche Anpreisungen. Die Angaben waren hier auch nicht lediglich pauschal sondern enthielten für den konkreten Einzelfall feste Beträge oder eng umgrenzte Bandbreiten und waren damit auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbar. Sie konnten von den Erwerbern einer vermieteten Immobilie auch nur so verstanden werden, dass sie aus der Differenz aller im Zusammenhang mit dem Immobilienerwerb zu erwartender Einkünfte sowie sonstiger finanzieller Vorteilen einerseits und der monatlichen Kosten andererseits errechnet worden waren.

Auch heutzutage ist es leider noch zu beobachten, dass viele Familien unter den Nachwirkungen des Models “Steuern sparen durch eine Kapitalanlage in Immobilien”, das in den Jahren 2008 bis 2011 erfolgreich in der gesamten Republik vertrieben wurde, leiden. Erfolgreiche Vertriebsmitarbeiter überzeugten hierbei mit falschen Versprechungen rund um Eigentumswohnungen, die mittels Bankkredit finanziert wurden. Diese Eigentumswohnungen sollten den Betroffenen helfen ihr Geld sicher anzulegen und hierbei auch noch Steuern zu sparen. Der hierfür aufgenommene Bankkredit wird bis zum heutigen Tag von Anlegern teuer abgestottert.

Verantwortung der finanzierenden Banken

Verwunderlich ist, dass die beteiligten Banken regelmäßig ihre Verantwortung für die Misere leugnen und weiterhin an den Darlehensverträgen festhalten, also Zinsen und Tilgung verlangen oder Kredite fällig stellen. Dies steht im Widerspruch zu einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). Im Jahre 2006 hat der  BGH klare Worte zur  Verantwortung der Banken gefunden (Urteil vom 16.05.2006 Az.: XI ZR 6/04).

Der BGH führt aus: “In Fällen eines institutionalisierten Zusammenwirkens der kreditgebenden Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber eines finanzierten Objekts können sich Anleger unter erleichterten Voraussetzungen mit Erfolg auf einen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten Wissensvorsprung der finanzierenden Bank im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch unrichtige Angaben der Vermittler, Verkäufer oder Fondsinitiatoren bzw. des Fondsprospekts über das Anlageobjekt berufen. Die eine eigene Aufklärungspflicht auslösende Kenntnis der Bank von einer solchen arglistigen Täuschung wird widerleglich vermutet, wenn Verkäufer oder Fondsinitiatoren, die von ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise zusammenwirken, auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers, Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des Verkaufs- oder Fondsprospekts nach den Umständen des Falles evident ist, so dass sich aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen.”

Willenserklärungen können somit widerrufen und Verträge rückabgewickelt werden. Hinzukommen Schadensersatzansprüche der Opfer, die gegen die Bank bestehen. 

Institutionalisiertes Zusammenwirken

Von einem solchen Zusammenwirken kann ausgegangen werden, wenn die jeweilige Bank über einen längeren Zeitraum hinweg und in organisierter und routinierter Form mit dem Vermittler und dem Verkäufer der Immobilie zusammenarbeitet. Die Anleger können sich dann unter erleichterten Voraussetzungen auf einen Wissensvorsprung der Bank berufen, der eine Aufklärungspflicht der Bank zur Folge gehabt hätte. Die Aufklärungspflicht wird in diesen Konstellationen widerleglich vermutet. Rechte und Pflichten der Banken, Vermittler, Verkäufer und Notare hatten damals und haben heute bestand.

Wie geht es weiter?

Wenn also die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers, Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des Verkaufs- oder Fondsprospekts nach den Umständen des Falles so auffällig ist, dass sich die Bank der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen hat, braucht sie in nach dem Urteil des BGH gute Argumente. Allzu enge Bindungen zwischen Banken und betrügerischen Vertriebsgruppen sind seitdem argwöhnisch im Fokus der Behörden und der Anlegerschutz ist durch die mögliche (Mit-)haftung der Banken gestärkt. 

Die Bank muss also darlegen und beweisen, dass sie trotz der Zusammenarbeit mit dem Anlagenvertreiber von dessen unlauteren Methoden nichts wusste.

Die BGH-Entscheidung bedeutet im Grunde, dass die Bank in Zukunft den Vertrieb von Kapitalanlagen, die finanziert werden, näher überwachen muss. Falls die Bank stattdessen die Augen vor schädigenden Vertriebsmethoden verschließt, müssen die Kreditkunden das Darlehen nicht zurückzahlen.

Können Anleger auch heute noch von diesem Urteil profitieren?

Hier hilft ein Blick ins Bürgerliche Gesetzbuch unter den Paragraphen 123 und 124. Der BGH hat in dem oben genannten Urteil festgestellt, dass hier für Anleger die Möglichkeit besteht, ihre mit der Finanzierung abgegeben Willenserklärungen wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Paragraph 124 BGB sieht vor, dass die Frist dieser Anfechtung spätestens 10 Jahren nach Abgabe der Willenserklärung verstrichen ist. Für Anleger die im Jahr 2012 oder später investiert haben lohnt sich somit vielleicht der schnelle Blick in die Unterlagen verbunden mit einem Besuch beim Rechtsanwalt. 

Fragen und Diskussion durch Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt. Befragt wurde Thomas Friese, Oldenburg

Der Immobilienexperte und Projektentwickler Thomas Friese, Berlin/ Oldenburg (Niedersachsen) ist einer Ausbildung im steuerlichen Bereich seit Mitte der siebziger Jahre im Bereich Immobilienentwicklung und Vermarktung tätig.

Kontaktdaten:

Projektentwickler & Immobilienexperte
Thomas Friese
Unter den Eichen 108a
12203 Berlin

Website: https://www.bauen-solide.de
E-Mail : frieseberlin@aol.com

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