Von den Anfängen des Internets bis zur Gegenwart: Eine kritische Betrachtung zur Fairness, Transparenz, dem Gedanken der Demokratie des Internets und dem Regulierungsanspruch ohne Überregulierungen.
Ein magischer Beginn
Als das Internet seinen Anfang nahm, war die Begeisterung groß. Viele verglichen es mit Goethes „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, weil es schien, als ob wir uns von den Einschränkungen der traditionellen Kommunikationsmethoden befreien könnten. Damals war es mühsam, Briefe nach Australien zu schicken und unsicher, ob sie zensiert würden. Reisen in die DDR waren beschwerlich und der Zugang zu Informationen war auf lokale Bibliotheken begrenzt. Die Vorstellung, dass das Internet Transparenz, Demokratie und Verbraucherfairness bringen könnte, war verlockend. Man träumte von einer Graswurzel-Revolution, in der jeder gleichberechtigten Zugang zu Informationen hätte.
In den frühen Jahren, von den 1960ern bis in die 1980er, war das Internet noch ein experimentelles Projekt des US-Verteidigungsministeriums, bekannt als ARPANET, mit einer stark begrenzten Nutzerbasis. Erst in den 1990er-Jahren, mit der Einführung des World Wide Web und Browsern wie Netscape und Mosaic, begann das Internet, für die breite Öffentlichkeit zugänglich zu werden. Die Anzahl der Nutzer explodierte: 1995 gab es etwa 16 Millionen Nutzer weltweit, bis 2020 waren es über 4,5 Milliarden.
Technologisch entwickelte sich das Internet rasant weiter, von E-Mails über soziale Netzwerke hin zu Online-Marktplätzen und Streaming-Diensten. Verbesserungen in der Netzwerkinfrastruktur, wie Glasfasernetze und drahtlose Technologien, trugen dazu bei, das Internet zu dem allgegenwärtigen Werkzeug zu machen, das wir heute kennen.
Die Realität: Ernüchterung und Herausforderungen
Diese Vision hielt jedoch nicht lange stand. Schnell zeigte sich, dass das Internet, ähnlich wie von Thomas Hobbes in seinen staatstheoretischen Überlegungen beschrieben, auch ein gefährlicher Ort sein kann, wo der Mensch dem Menschen ein Wolf ist. Die Architektur und die Nutzung des Internets wurden stark von amerikanischen Idealen geprägt, die Technik als ein Werkzeug für maximale ökonomische Effizienz betrachteten. Dies führte zu einer Konzentration der Macht in den Händen weniger großer Konzerne, die die Infrastruktur des Internets kontrollieren.
Die amerikanische Rechtsordnung unterstützte diese Entwicklung, indem sie das Internet als ein Mittel der Meinungsfreiheit definierte und wenig regulierte. Dies führte zu einer Kultur, in der die Betreiber von Internetplattformen, ähnlich wie Kneipenbesitzer, nach eigenen Regeln entscheiden konnten, wen sie bedienen und wie sie ihre Plattformen gestalten. Diese Rechtskultur passte jedoch nicht zu den rechtlichen und gesellschaftlichen Vorstellungen in Europa, wo es zunehmend Diskussionen über die Macht der Konzerne und die Notwendigkeit stärkerer Regulierungen gab.
Die Folgen der Freiheit: Eine kritische Bilanz
Doch mit dem Wachstum kamen auch Herausforderungen. Die Fairness im Zugang bleibt ein großes Problem. Trotz der globalen Verbreitung gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Stadt und Land sowie zwischen reichen und armen Regionen. Die digitale Kluft ist ein ernst zu nehmendes Hindernis auf dem Weg zu einer wirklich vernetzten Welt. Mit der Zeit wurde klar, dass Freiheit allein nicht ausreicht. Die metaphorische Freiheit des amerikanischen Westens führte dazu, dass die Bisons ausgerottet und die Ureinwohner ihrer Lebensgrundlage beraubt wurden. Ähnlich führte die unregulierte Freiheit im Internet zu Missbrauch und Ungerechtigkeit. Beispielsweise ermöglichte das Internet Betrügern, Versicherungen zu überteuerten Preisen zu verkaufen, und die Verbreitung von Fake News wurde zu einem ernsthaften Problem. Die Menschheit zeigte, dass sie auch in der digitalen Welt nicht vor den eigenen dunklen Seiten gefeit ist.
Auch die Transparenz des Internets steht auf dem Prüfstand. Während es die Verbreitung von Informationen erleichtert, hat es auch die Verbreitung von Fake News und Desinformation beschleunigt. Zudem nehmen staatliche und private Überwachungen zu, was Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes aufwirft.
Die anfängliche Hoffnung auf eine demokratische Plattform wurde durch Zensur und Einschränkungen in vielen Ländern getrübt. Die Prinzipien der Netzneutralität werden oft infrage gestellt, was den freien Zugang zu Informationen gefährden kann.
Gesellschaftliche Reaktionen und rechtliche Maßnahmen
Auf diese Herausforderungen reagierte die Gesellschaft mit unterschiedlichen Ansätzen. Ein Beispiel aus der Vergangenheit ist die Entwicklung des Automobilrechts. Als die ersten Autos aufkamen, reagierte die Gesellschaft zunächst mit absurden Regelungen wie der Forderung, dass jemand mit einer Fahne vor jedem Auto herlaufen müsse. Ähnlich befinden wir uns heute in einer Experimentierphase, in der verschiedene Regulierungsansätze ausprobiert werden.
Ein besonders drängendes Problem ist die Verbreitung von Fake News. Es ist dem Menschen angeboren, zu lügen und zu täuschen, insbesondere wenn es darum geht, sich in einem guten Licht darzustellen. Konrad Lorenz beschrieb die Hemmschwelle des Menschen, andere direkt zu töten, was im Internet durch die Anonymität und die Distanz noch verstärkt wird. Worte können töten, und Beleidigungen und Mobbing im Internet haben reale Konsequenzen, die hin zu Selbstmorden führen können.
Die zweite Realität des Internets
Eine der größten Herausforderungen bleibt die Regulierung. Es gilt, ein Gleichgewicht zu finden: Das Internet muss reguliert werden, um Missbrauch und Kriminalität zu verhindern, aber ohne die Freiheit und Innovation zu ersticken. Dies erfordert internationale Zusammenarbeit und Standards, um globale Herausforderungen wie Cyberkriminalität und digitale Rechte anzugehen.
Das Internet ist zu einer zweiten Realität geworden, der wir nicht mehr entkommen können. Es beeinflusst das tatsächliche Leben stark und Menschen glauben oft unreflektiert an das, was sie online sehen. Diese starke Wirkung des Internets erfordert Schutzmaßnahmen, Sensibilisierung und Aufklärung. In der Vergangenheit war es unter anderem üblich, Müll im Wald zu entsorgen, ohne sich über die Konsequenzen Gedanken zu machen. Heute ist Umweltschutz ein gesellschaftlicher Konsens. Eine ähnliche Bewusstseinsänderung ist notwendig, um mit den Herausforderungen des Internets umzugehen.
Die Rolle der Konzerne und die Verantwortung
Diejenigen, die das Internet betreiben und die Infrastruktur bereitstellen, tragen eine besondere Verantwortung. Technik ist nicht unschuldig, und die Betreiber von Internetplattformen müssen sich ihrer Verantwortung stellen. Dies zeigt sich auch in der Diskussion über den Digital Services Act und den Digital Markets Act der Europäischen Union, die darauf abzielen, die Macht der Konzerne zu regulieren und die Rechte der Nutzer zu schützen. Die Europäische Union hat den Digital Services Act (DSA) und den Digital Markets Act (DMA) ins Leben gerufen, um den digitalen Raum sicherer und fairer zu gestalten. Der DSA zielt darauf ab, illegale Inhalte schnell zu entfernen, mehr Transparenz bei Algorithmen und Werbeanzeigen zu schaffen und die Rechte der Nutzer zu stärken. Plattformen mit über 45 Millionen Nutzern unterliegen besonders strengen Regeln.
Der DMA hingegen richtet sich gegen große Online-Plattformen, die als „Gatekeeper“ fungieren. Diese sollen daran gehindert werden, sich selbst zu bevorzugen oder Drittanbieter zu benachteiligen. Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von mindestens 75 Milliarden Euro oder einem jährlichen Umsatz von 7,5 Milliarden Euro und über 45 Millionen Nutzern müssen sich an diese Vorschriften halten. Diese Gesetze sind ein wichtiger Schritt in Richtung einer verantwortungsvollen Nutzung des Internets, um den digitalen Raum in der EU sicherer, transparenter und wettbewerbsfähiger zu machen.
Fazit: Ein langer Weg zur digitalen Gerechtigkeit
Die Entwicklung des Internets hat viele positive Veränderungen gebracht, aber auch neue Herausforderungen geschaffen. Die ursprüngliche Vision von Transparenz und Demokratie muss gegen die Realität der Machtkonzentration und des Missbrauchs abgewogen werden. Das Internet sollte so gestaltet werden, dass alle Menschen Zugang haben und digitale Fähigkeiten entwickeln können. Gleichzeitig muss das Internet vertrauenswürdig und sicher bleiben, frei von Missbrauch. Es gilt, die Innovation zu fördern und gleichzeitig die Rechte und Freiheiten der Nutzer zu schützen. Die Reise des Internets von einem magischen Beginn bis zu den heutigen Herausforderungen zeigt, dass es eine ständige Balance zwischen Freiheit, Sicherheit und Fairness finden muss. Die Gesellschaft muss weiterhin Wege finden, das Internet gerecht und verantwortungsvoll zu nutzen. Dabei sind gesetzliche Regulierungen, Bewusstseinsbildung und eine aktive gesellschaftliche Diskussion unerlässlich. Die Reise zu einer fairen und transparenten digitalen Welt ist noch lange nicht zu Ende, aber die ersten Schritte sind gemacht.
V.i.S.d.P.:
Dr. Thomas Schulte
Rechtsanwalt
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