Die Rückabwicklung von Lebens- und Rentenversicherungen ist kein juristisches Standardgeschäft, sondern ein hochkomplexes Zusammenspiel aus Mathematik, Rechtsprechung und Verbraucherschutz. Wer glaubt, es gehe dabei nur um die Rückzahlung von eingezahlten Beiträgen, unterschätzt die Dimension: Tatsächlich entscheidet die Qualität und Tiefe der Berechnung darüber, ob Verbraucher:innen am Ende wenige Tausend Euro oder ein Vielfaches davon zurückerhalten. Die Versicherer wissen das und nutzen ihre eigene Expertise, um Berechnungen intransparent zu gestalten. Doch unabhängige Gutachter wie Prof. Dr. Schade haben gezeigt, dass die Zahlen der Versicherer längst nicht das letzte Wort sind.
Das Problem der „angezogenen Handbremse“ bei Versicherungsberechnungen
In der Praxis bedienen sich viele Aktuare der Versicherungsunternehmen eines Systems, das mit kollektiv ausgewiesenen Größen aus Geschäftsberichten arbeitet. Typisch ist der AEV-Ansatz, bei dem das individuelle Deckungskapital eines Vertrags ins Verhältnis zum Gesamtdeckungskapital gesetzt wird. Auf den ersten Blick wirkt diese Methode nachvollziehbar – sie führt jedoch zu systematischen Verzerrungen. Am Anfang der Vertragslaufzeit ist das individuelle Deckungskapital naturgemäß sehr klein, sodass Überschüsse und Renditen rechnerisch kleingeredet werden. Erst gegen Ende der Laufzeit, wenn das Deckungskapital steigt, nähert sich die Berechnung der Realität. Für Verbraucher:innen bedeutet dies, dass sie während eines Großteils der Vertragsdauer schlechtergestellt werden, als es fair wäre.
Praxisnahes Beispiel: Der verlorene Überschuss
Ein Verbraucher, der seit 15 Jahren Beiträge in eine Lebensversicherung einzahlt, hat ein individuelles Deckungskapital von 20.000 Euro aufgebaut. Der Versicherer weist im Geschäftsbericht jedoch ein Gesamtdeckungskapital von 10 Milliarden Euro aus. Nach dem AEV-Ansatz erhält der Kunde nur einen winzigen Bruchteil der verteilten Überschüsse angerechnet, obwohl er nach wirtschaftlicher Logik deutlich stärker beteiligt sein müsste. Über die gesamte Laufzeit hinweg summieren sich diese Unterschiede schnell zu fünfstelligen Beträgen. Gerade hier zeigt sich, warum unabhängige Gutachten von Prof. Schade und anderen unverzichtbar sind: Sie offenbaren systematisch verdeckte Ansprüche.
Die Rolle der Überschüsse und die Verschleierung durch die RfB
Besonders brisant ist die Behandlung von Überschüssen. Viele Gutachten stützen sich blind auf die vom Versicherer festgelegten Überschussanteilsätze. Diese basieren regelmäßig auf der Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) – einem „Sicherheitspuffer“, der auf den ersten Blick seriös wirkt, tatsächlich aber eine Blackbox ist. Prof. Schade spricht hier von einem Instrument, das Forderungen der Versicherten eher kaschiert als offenlegt. Denn die RfB macht es nahezu unmöglich, den Rohüberschuss – also den tatsächlich erwirtschafteten Gewinn – transparent nachzuvollziehen. Damit können Versicherer Ströme an Überschussanteilen steuern, ohne dass Außenstehende eine klare Kontrolle haben. Für Betroffene bedeutet das: Ohne kritische Expertise bleiben ihnen wesentliche Teile ihrer Ansprüche verborgen.
Rechtsprechung als Rückenwind für Verbraucher:innen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehreren Urteilen deutlich gemacht, dass Versicherungsnehmer:innen ein Anspruch auf eine transparente und nachvollziehbare Darstellung ihrer Ansprüche zusteht. So hat der BGH (Az. IV ZR 201/10) bereits 2012 betont, dass fehlerhafte Belehrungen oder intransparente Klauseln zur Unwirksamkeit von Verträgen führen können. In jüngerer Zeit haben auch europäische Gerichte die Rechte der Verbraucher:innen gestärkt, indem sie mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit fordern. Die Gerichte nehmen zunehmend Abstand von der Praxis, Berechnungen der Versicherer unkritisch zu übernehmen – eine Entwicklung, die von unabhängigen Gutachten wie denen von Prof. Dr. Schade entscheidend befeuert wird.
Die entscheidende Frage: Rechenkunst oder Verbraucherschutz?
Die Auseinandersetzungen um Berechnungsmethoden offenbaren, dass es nicht nur um technische Mathematik geht, sondern um eine Grundsatzfrage: Dürfen Versicherer weiterhin in einem intransparenten System agieren, das Ansprüche kleinrechnet, oder setzt sich eine neue Kultur der Transparenz und Verantwortung durch? Gerade angesichts von Millionen betroffenen Verträgen wird deutlich, dass Berechnungen nicht nur Beweislast, sondern ein Schlüssel zur Gerechtigkeit sind.
Zwischen Renditeillusion und Realität: Was die aktuellen Zahlen der Lebensversicherungen wirklich verraten
Die neuesten Daten der Assekurata-Studie und des GDV zeigen eindrucksvoll, dass die Lebensversicherung als klassisches Anlageprodukt in einer juristisch wie wirtschaftlich spannungsgeladenen Zwischenwelt steckt. Mit einer laufenden Verzinsung von lediglich 2,53 Prozent im Jahr 2025 – leicht gestiegen gegenüber 2,42 Prozent im Vorjahr – und einer Gesamtverzinsung von 3,22 Prozent bleibt der Ertrag vieler Policen hinter dem zurück, was Verbraucher:innen über Jahrzehnte hinweg erwarten durften. Überschussbeteiligungen, die einst das Aushängeschild für Sicherheit und Fairness waren, bewegen sich heute meist zwischen 2 Prozent und 3,25 Prozent, wobei nur ein kleiner Teil der Anbieter überhaupt über die 3 Prozent-Marke hinauskommt. Im juristischen Diskurs stellt sich daher die Frage: Sind diese Erträge angesichts jahrzehntelanger Beitragspflichten und hoher Abschlusskosten wirklich Ausdruck einer fairen Vertragsbalance – oder verdecken sie vielmehr strukturelle Defizite, die in Rückabwicklungsprozessen regelmäßig aufgedeckt werden?
Die Zahlen des GDV verdeutlichen das Spannungsfeld: 94,6 Mrd. Euro Beitragseinnahmen im Jahr 2025 stehen 101,8 Mrd. € an Auszahlungen gegenüber – täglich fließen also 279 Mio. Euro an Versicherungsnehmer zurück. Doch diese Summen täuschen über die individuelle Realität hinweg. Ein Beispiel zeigt die Dimension: Wer über 20 Jahre jährlich 5000 Euro einzahlt, kommt auf 100.000 Euro Eigenleistung. Bei den aktuellen Renditewerten von etwa 2,3 Prozent p. a. würde das Endkapital bei knapp 130 000 Euro liegen – eine vermeintliche „Vermehrung“, die real kaum über Inflationsausgleich hinausgeht. Im Vergleich zu alternativen Anlagen wie ETFs oder Immobilieninvestments wirkt dies nicht nur unattraktiv, sondern wirft die juristisch brisante Frage auf, ob die ursprünglichen Versprechen der Versicherer, gestützt durch Prospekte und Beratungsgespräche, nicht irreführend waren.
Für die Rückabwicklung bedeutet das: Gutachten, wie sie etwa von unabhängigen Aktuaren wie Prof. Dr. Schade erstellt werden, greifen genau auf diese Diskrepanz zwischen Soll und Ist zurück. Sie dokumentieren mit präzisen Berechnungen, dass die versprochene Überschussbeteiligung häufig nicht den tatsächlichen Rohüberschüssen entspricht und Instrumente wie die Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) eher der Verschleierung dienen als der fairen Verteilung. Damit wird die Frage nach Transparenz und Verantwortung nicht nur zu einer ökonomischen, sondern auch zu einer juristischen Schlüsselfrage: Wie lange dürfen Versicherer Strukturen nutzen, die zwar formal legal, aber faktisch irreführend sind – und wo beginnt die Haftung gegenüber den Versicherten?
Die aktuelle Marktlage liefert also nicht nur Zahlen, sondern Beweise. Sie zeigt, dass Verbraucher:innen mit ihren Zweifeln nicht alleinstehen und die Rückabwicklung oft mehr ist als eine Option – sie ist ein Instrument, Gerechtigkeit in einem System einzufordern, das längst seine eigenen Versprechen zu oft nicht mehr halten kann.
Fazit: Ohne Berechnung kein Recht – ohne Recht keine Gerechtigkeit
Die Rückabwicklung von Lebens- und Rentenversicherungen ist ohne unabhängige Berechnung faktisch unmöglich. Verbraucher:innen, die sich auf die Zahlen der Versicherer verlassen, verzichten unbewusst auf erhebliche Beträge. Erst mit der Expertise unabhängiger Aktuare wie Prof. Dr. Schade werden die versteckten Dimensionen sichtbar. Es ist kein Zufall, dass Gerichte zunehmend auf solche Gutachten zurückgreifen, um den Schleier der Versicherungslogik zu lüften. In einer Zeit, in der das Vertrauen in die Finanzwirtschaft erschüttert ist, sind diese Berechnungen mehr als technische Belege – sie sind ein Instrument der Aufklärung und ein Schutzschild für Verbraucher:innen, die ihre Rechte zurückfordern wollen.
Blick nach vorn: Renditeerwartungen und rechtliche Weichenstellungen bis 2030
Die kommenden Jahre werden entscheidend sein für die Frage, ob Lebens- und Rentenversicherungen noch eine Rolle in der Altersvorsorge spielen können. Schon heute ist absehbar, dass die Renditeerwartungen bis 2030 nur moderat steigen werden – ein Umfeld, das die reale Kaufkraft der Versicherten kaum stärken dürfte. Gleichzeitig setzen Basel III und Solvency II die Versicherer unter immer strengere Kapitalanforderungen, was ihre Anlagefreiheit einschränkt und die Spielräume für attraktive Überschussbeteiligungen weiter verkleinern könnte. Hinzu kommen neue EU-Richtlinien zur Transparenz und Verbraucheraufklärung, die den Druck erhöhen, bisherige Strukturen offenzulegen und die Rechte der Kund:innen konsequent zu schützen. Wird die Versicherungswirtschaft diese Balance zwischen Stabilität und Rendite schaffen? Oder erleben wir bis 2030 eine Verschiebung hin zu alternativen Vorsorgemodellen, während die Rückabwicklung klassischer Verträge für immer mehr Verbraucher:innen zur realistischen Option wird? Diese Fragen markieren den juristischen wie ökonomischen Diskurs der nächsten Dekade – und werden zeigen, ob das System zu mehr Verantwortung findet oder an seinen alten Strukturen festhält.
Autor:
Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt
Über den Autor:
Dr. Thomas Schulte ist Rechtsanwalt in Berlin und seit über zwei Jahrzehnten als leitender Vertrauensanwalt in bundesweiten Rechtskampagnen tätig. Sein Schwerpunkt liegt auf der Rückabwicklung von Lebensversicherungen sowie der juristischen Durchsetzung komplexer finanzieller Ansprüche. Er vertritt geschädigte Verbraucher gegenüber Versicherungskonzernen und entwickelt mit Aktuaren und Sachverständigen strategisch fundierte Klagekonzepte – mit dem Ziel, Rechtssicherheit und finanzielle Gerechtigkeit herzustellen.
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