Gutachten-Evolution- So wehren sich Kunden gegen Versicherungen

Gutachten-Evolution: So wehren sich Kunden gegen Versicherungen

Wie sich Versicherte mit modernen Gutachten gegen unfaire Verträge und verweigerte Leistungen erfolgreich zur Wehr setzen – oder: Wenn Goliath wankt – wie sich Versicherte gegen ihre Versicherung wehren.

Versicherungen sollen Sicherheit geben – das war einst ihr Auftrag. Doch für viele Versicherte fühlt sich der Moment der Auszahlung heute eher wie ein juristisches Gefecht an als wie die Erfüllung eines Versprechens. Die bittere Realität: Jahrzehntelang Beiträge gezahlt, Vertrauen investiert – und dann fehlt am Ende Geld. Viel Geld.

Laut BaFin wurden im Jahr 2024 über 83 Milliarden Euro in Lebensversicherungen eingezahlt, doch Rückkaufswerte und Ablaufleistungen bleiben oft deutlich hinter den Prognosen zurück. Überschüsse verschwinden im System, Abschlusskosten werden verschleiert, und stille Reserven? Werden zwar bilanziert, aber selten an die Kunden weitergegeben. Der Verbraucher steht oft ratlos da – mit Papieren voller Paragrafen, aber ohne Klarheit.

Doch inmitten dieser Intransparenz ist eine neue Bewegung entstanden – eine „Gutachten-Evolution“, die das Kräfteverhältnis neu ordnet. Immer mehr Versicherte nutzen versicherungsmathematische Privatgutachten, um zu zeigen, was ihnen wirklich zusteht. Und sie tun das mit Erfolg: Gerichte erkennen zunehmend die Aussagekraft unabhängiger Berechnungen an, vorwiegend dann, wenn Versicherer sich hinter komplexen Kalkulationen und pauschalen Formeln verstecken.

Diese Entwicklung wirft eine brisante Frage auf: Hat die Versicherungswirtschaft den eigentlichen Sinn ihres Daseins aus den Augen verloren? Ging es nicht ursprünglich darum, in der Not zu helfen – und nicht darum, sich im Ernstfall hinter Formparagrafen und Kapitalanlagelogiken zu verschanzen?

Die Geschichte der modernen Rückforderung beginnt nicht mit Empörung, sondern mit Mathematik, Mut und Methodik. Sie zeigt: Gutachten sind längst mehr als Zahlenwerke. Sie sind das juristische Gegengewicht zu einer Branche, die sich zu lange selbst genügte. Und sie geben den Versicherten genau das zurück, was ihnen genommen wurde: Handlungsfähigkeit, Würde – und ihr Recht.

Generation 1: Die Phase der Rückabwicklung mit hohen Nutzungsansprüchen

Die erste Generation der Gutachten zielte auf die Rückabwicklung von Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen. Im Zentrum stand der sogenannte Nutzungsanspruch. Dieser basiert auf der Idee, dass der Versicherer während der Laufzeit mit den Beiträgen wirtschaften konnte und daraus Erträge erzielt hat.

Berechnet wurde dieser Anspruch über eine Rohüberschussrendite, abgeleitet aus öffentlich zugänglichen Zahlen, etwa aus BaFin-Berichten. Das Ziel war klar: den Gewinnanteil für den konkreten Vertrag zu quantifizieren.

Die Ergebnisse waren zwar hoch, aber auch schwer zu erklären. Gerichte reagierten zurückhaltend, Richterinnen und Richter waren oft überfordert von der Komplexität und ließen sich von der Gegenseite einreden, es handle sich um hypothetische Rechenkonstrukte. Der juristische Erfolg blieb selten.

Generation 2: Der doppelte Boden mit vertraglichem Anspruch

Um erfolgreicher zu sein, wurde eine zweite Generation entwickelt. Neben der Rückabwicklung wurde nun ein vertraglicher Anspruch geltend gemacht: der Anspruch auf Überschüsse, die dem konkreten Vertrag zustehen, aber nicht ausgekehrt wurden.

Dazu wurde der Rohüberschuss des Unternehmens nach dem sogenannten AEV-Ansatz auf den einzelnen Vertrag heruntergerechnet – also in dem Verhältnis, wie viel Deckungskapital der Vertrag am gesamten Bestand hatte. Es ging nicht mehr um Schätzungen, sondern um mathematisch saubere Zurechnung.

Diese Herangehensweise war defensiver, aber auch deutlich robuster. Die Zahlen waren niedriger, aber nachvollziehbar und nicht mehr leicht zu widerlegen. Damit stieg die Prozesschance deutlich.

Generation 3: Der Gesamtgeschäftsplan und die Zerlegung der Überschüsse

In der dritten Generation wurde die Argumentation weiter verfeinert. Die Versicherer begannen, sich auf ihren internen Gesamtgeschäftsplan zur Überschussbeteiligung zu berufen. Die neue Gutachtengeneration griff das auf und zeigte, dass genau dieser Plan oft falsch angewendet oder sogar ignoriert wurde.

Der Rohüberschuss wurde inzwischen aufgeteilt in Kapitalanlageergebnisse und Risikoüberschüsse. Gerade bei Berufsunfähigkeitsversicherungen wurde so sichtbar, dass viele Anbieter mit systematisch zu hohen Risikozuschlägen arbeiten, die am Ende nicht benötigt wurden – ein versteckter Gewinn.

Zugleich wurde ein neuer Ertragsbegriff eingeführt, basierend auf der echten Gewinn- und Verlustrechnung, losgelöst von Bilanztricks. Damit konnten die Gutachter den Nutzungsanspruch stärker und zugleich transparenter begründen.

Wenn Versicherungen zaubern – und das Geld verschwindet

Stellen wir uns vor, ein windiger Gebrauchtwagenhändler würde Ihnen einen glänzenden Oldtimer verkaufen – nur um beim Start zu offenbaren, dass der Motor „theoretisch garantiert“ sei, aber praktisch leider unter Vorbehalt der Marktentwicklung, regulatorischer Reservebildung und bilanzieller Diskretion. Würden Sie sich betrogen fühlen? Sicher. Würde es ein Richter so sehen? Wahrscheinlich auch.

Aber wenn eine Versicherung so handelt? Dann heißt es: Das sei „branchenüblich“, „aufsichtsrechtlich zulässig“ oder gar „gesetzlich gedeckt“ – und plötzlich wird aus dem Motortrick eine Bilanzposition namens RfB (Rückstellung für Beitragsrückerstattung), in der Milliarden verschwinden wie Socken in der Waschmaschine. Nur dass bei der Versicherung keiner mehr nach den Socken sucht.

Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Da werden Überschüsse erwirtschaftet – durch Beiträge der Kunden –, aber die Kunden selbst sehen davon oft nur die Zinskrümel, während der Rest elegant in Rückstellungen geparkt wird. Würde ein anderer Marktteilnehmer so operieren, würde man ihn einen Trickser, ein Schneeballsystem oder schlicht einen Hütchenspieler mit TÜV-Plakette nennen.

Doch Versicherungen tragen einen Heiligenschein aus Vertrauen, Staatsnähe und weißen Hemden. Und weil sie im Fernsehen mit Hunden, Babys oder Sonnenaufgängen werben, traut man sich kaum, sie juristisch zu hinterfragen. Der Versicherungsnehmer wird beruhigt mit Sätzen wie: „Das ist marktüblich.“ Oder: „Das sehen alle so.“ Ja – außer die Versicherten selbst. Die merken irgendwann: Das Kleingedruckte war doch größer als gedacht.

Was bleibt, ist eine bittere Pointe: Ein Verhalten, das bei jedem anderen als arglistige Täuschung gewertet würde, ist hier „legales Geschäftsmodell“. Der Begriff „legaler Betrug“ wirkt deshalb nicht nur wie eine juristische Provokation, sondern wie eine notwendige Diagnose – für ein System, das sich rechtlich im Rahmen bewegt, aber moralisch längst aus dem Fenster gelehnt hat.

Wer sich heute dagegen wehrt, ist kein Querulant – sondern Pionier für etwas mehr Ehrlichkeit in einem Markt, der seine Glaubwürdigkeit nicht verspielen darf. Und vielleicht, ganz vielleicht, beginnt ja schon bald die Zeit, in der sich Versicherungen nicht mehr hinter Paragrafen verstecken müssen – sondern sich trauen, das zu tun, was sie einst versprochen haben: zu helfen, wenn’s darauf ankommt.

Gutachten 3.0 – Wie Versicherte Schritt für Schritt die Beweisführung gegen ihre Versicherer revolutionieren

In der Auseinandersetzung zwischen Versicherten und ihren Versicherungen zeichnet sich ein leiser, aber kraftvoller Wandel ab: Die Evolution der Gutachten. Was einst mit mathematischen Mondzahlen begann, hat sich zu einem hochpräzisen juristischen Instrumentarium entwickelt – strategisch geschärft, rechtlich optimiert und gerichtsfest wie nie zuvor. Denn wer heute gegen einen Lebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherer bestehen will, braucht mehr als ein gutes Gefühl – er braucht methodisch belastbare Zahlen und rechtlich unanfechtbare Berechnungen.

Diese Entwicklung lässt sich in drei Generationen nachvollziehen:

  • Generation 1 (G1) setzte auf maximale Rückabwicklung und hohe Überschussrenditen – beeindruckend, aber für viele Richter schlicht zu komplex.

  • Generation 2 (G2) wurde zurückhaltender, kombinierte vertragliche Ansprüche mit nachvollziehbarer Logik – ein Modell, das vor Gericht Bestand hatte, weil es nicht mehr angreifbar, aber immer noch wirkungsvoll war.

  • Und schließlich Generation 3 (G3): die aktuelle Spitze der Gutachtenkunst. Sie kombiniert juristische Argumentation, regulatorische Vorgaben, Geschäftspläne der Versicherer und Gewinn- und Verlustrechnungen zu einem Beweispaket, das fachlich wie inhaltlich kaum zu erschüttern ist.

Diese dritte Generation steht für mehr als nur eine neue Zahl: Sie ist die Antwort auf die immer raffinierteren Abwehrstrategien der Versicherer, die sich auf Gesamtgeschäftspläne, interne Aufteilungen und Rechtsauslegung stützen. Doch das neue Gutachtenmodell nimmt ihnen die Argumente aus der Hand – und legt offen, was lange verborgen blieb: dass Kundengelder oft zu Unrecht nicht oder zu gering ausgezahlt wurden.

Fazit: Wissen ist Macht – und die richtige Strategie noch mehr

Die Gutachten-Evolution zeigt, wie wichtig fachliche Tiefe, Ausdauer und strategisches Vorgehen sind. Versicherungsnehmer haben heute reale Chancen, sich zu wehren – wenn sie auf die richtigen Instrumente setzen. 

Die Gutachten-Evolution ist kein theoretisches Modell – sie ist der praktische Hebel, mit dem Verbraucher wieder Augenhöhe herstellen. Ein dynamischer Prozess, der die Realität der Versicherungswirtschaft ernst nimmt, aber nicht mehr hinnehmen will, dass Undurchsichtigkeit, Systemschutz und juristische Hürden den Anspruch des Einzelnen unterdrücken.

Was früher aussichtslos erschien, wird heute mit methodischer Präzision zur Realität: Gerechtigkeit durch Mathematik – und der kluge Einsatz wissenschaftlich fundierter Beweise. Versicherungen kalkulieren mit Passivität. Wer das System versteht und durch Gutachten transparenter macht, kann Ansprüche durchsetzen – auch gegen große Konzerne. Es braucht Mut, Geduld und professionelle Begleitung. Aber es lohnt sich.

Autor: Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt

Über den Autor:

Dr. Thomas Schulte ist Rechtsanwalt in Berlin und seit über zwei Jahrzehnten als leitender Vertrauensanwalt in bundesweiten Rechtskampagnen tätig. Sein Schwerpunkt liegt auf der Rückabwicklung von Lebensversicherungen sowie der juristischen Durchsetzung komplexer finanzieller Ansprüche. Er vertritt geschädigte Verbraucher gegenüber Versicherungskonzernen und entwickelt mit Aktuaren und Sachverständigen strategisch fundierte Klagekonzepte – mit dem Ziel, Rechtssicherheit und finanzielle Gerechtigkeit herzustellen.

Kontakt

Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte
E-Mail: law@meet-an-expert.com

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