Blockchain gilt als geniale Erfindung als technisches Buchungssystem. Aber ohne Regulierung wirkt der Kryptosektor wie im sprichwörtlichen Wilden Westen? Im Interview mit Valentin Markus Schulte – Rechtsanwaltskanzlei Dr. Thomas Schulte aus Berlin.
Guten Tag Valentin Schulte, heute wollen wir über ein viel diskutiertes Thema sprechen: Kryptowährungen. Die Finanz- und Bankenwelt ist im stetigen Wandel. Der Kryptowährungsmarkt wächst, neue Kryptowährungen werden eingeführt. Für Investments die richtige Kryptowährung auszuwählen, gestaltet sich schwierig, da es heute mehr als 20.000 Optionen gibt. Experten gehen davon aus, dass in die traditionellen Finanzmärkte die Kryptobranche integriert werden kann. Finanzexperten weisen immer wieder darauf hin, dass Kryptowährungen rein private Unternehmungen ohne eine vertrauenswürdige Kontrollstruktur und noch zu wenigen Regulierungen sind.
Was ist Kryptowährung?
Valentin Schulte: Guten Tag. Das ist für mich sowohl aus wirtschaftswissenschaftlicher, als auch juristischer Sicht ein interessantes Thema. Einem Laien, der an Kryptowährung denkt, kommt vermutlich als erstes der Begriff „Bitcoin“ in den Sinn. Neben dem Bitcoin gibt es noch viele weitere Kryptowährungen; Ethereum oder Ripple sind hierbei bekannte Währungen.
Alle diese Kryptowährungen existieren ausschließlich digital. Vergleichbar mit dem Geld auf einem Bankkonto sind digitale oder virtuelle Währungen physisch nicht vorhanden. Der Unterschied hierbei ist, dass Geld auf einem Bankkonto im besten Fall stets in Bargeld umgewandelt werden kann. Bei Kryptowährungen ist dies nicht der Fall. Plakativ könnte man sagen: Wie auch bei „normalem“ Geld erzeugt nur der Glaube des Menschen, dass die Währung einen Wert hat.
Wie ist es aber möglich, dass virtuelles Geld nicht einfach kopiert werden kann? Bei Bargeld sind die Scheine mit Sicherheitsmechanismen ausgestattet, die eine Fälschung verhindern sollen. Datensätze lassen sich ja nicht gerade schwierig kopieren.
Valentin Schulte: Virtuelle Währungen benötigen keine Bank. Transaktionen erfolgen auf der sogenannten Blockchain. Die Blockchain ist wie ein großes offenes Buch. Es ist offen für jedermann einsehbar, welches „Wallet“ (das ist das Pendant zum einfachen Bankkonto) über wie viele Kryptowährungen verfügt. Außerdem dokumentiert sie jegliche Transaktionen zwischen diesen „Wallets“. Alle diese Daten werden zu riesigen Datensätzen zusammengefasst. Das System dahinter, wieso ein Bitcoin, der auch nur ein Datensatz ist, nicht fälschbar ist, ist das sogenannte „proof of work“ oder „proof of stake“. Die Menge an Bitcoins ist begrenzt. Keine Bank und keine Privatperson der Welt kann zur Zeit an der Gesamtmenge an Bitcoins etwas ändern. Jedes Mal, wenn ein Bitcoin den Besitzer wechselt, wird dem Datensatz des Bitcoins ein neuer Code angehängt. Jeder Nutzer wird mit seinem Rechner quasi das Backup des Bitcoins. Fälschen könnte man also einen Bitcoin nur, wenn alle jemals involvierten Backups vom Fälscher gekannt und richtig zusammengesetzt werden. Dies erfordert eine unfassbar große Rechenleistung und macht eine Kryptowährung noch viel schwerer fälschbar als das uns bekannte Bargeld.
Wenn Kryptowährungen also diesbezüglich so sicher zu sein scheinen, wieso kommt es dann häufiger zu Betrugsmaschen in Bezug auf Kryptowährungen?
Valentin Schulte: Die Antwort lässt sich kurz zusammenfassen: Anonymität, fehlende Regulierung und Unwissenheit der Opfer.
Der Krypto-Space ist ein kaum bis gar nicht regulierter Raum. Durch die dezentrale Art der Kryptowährung sind an Transaktionen keine Dritten beteiligt. Bei Überweisungen von Geld von Konto zu Konto, wie man es bei Banken kennt, sind immer Banken mit involviert. Bei fehlerhaften oder betrügerischen Transaktionen können Banken Konten einfrieren und Überweisungen rückgängig machen. Dies ist hier nicht der Fall. Hinzu kommt, dass das Gegenüber fast komplett anonym bleibt. Es sind noch keine Regulierungen seitens der Legislative getroffen worden, die es nötig macht, Wallets mit einer Person zu identifizieren.
Wie genau kann man sich einen Krypto-Betrug vorstellen? Wie läuft so etwas ab?
Valentin Schulte: In den meisten Fällen sind Betrüger auf die Mithilfe ihrer potenziellen Opfer angewiesen. Die Kontaktaufnahme erfolgt durch Social-Media-Kanäle oder über E-Mail. Es werden Versprechungen von schnellem Geld innerhalb des Kryptospace gemacht. Oft werden auch “normale” Kapitalanlagen angepriesen. Die Betrüger sind hierbei darauf aus, dass Fiatgeld (bspw. Euro) in Kryptowährungen umgetauscht und dann an sie übertragen wird. Dafür müssen die Euros von den späteren Opfern in Kryptowährungen umgewandelt werden. Dies erfolgt auf sogenannten Krypto-Börsen wie „Binance“ oder „Coinbase“.
Bei Krypto-Börsen kann man sich, wie bei „normalen“ Brockern, Anbieter vorstellen, die Geld in Kryptowährungen umtauschen. Dies ist an sich alles legal, weshalb für Opfer meist alles vertrauenswürdig erscheint. Häufig ist hierbei in der juritischen Praxis zu beobachten, dass die Betrüger sich “zur Hilfe” mit Programmen wie Teamviewer oder Anydesk auf das Gerät des Opfers einloggen und die notwendigen Schritte selbst vornehmen, weil die Opfer zu diesem Umtauschprozess aufgrund mangelnder Erfahrung nicht in der Lage sind. Sobald das Geld umgewandelt wurde und innerhalb der Krypto-Börse verwaltet wird, versuchen die Betrüger, ihre Opfer dazu zu bringen, ihre frisch erworbenen Kryptowährungen auf sogenannte „Streaming-Wallets“ zu schicken. Dabei handelt es sich um nichts anderes als eines ihrer Krypto-Wallets. Es werden beispielsweise Versprechungen gemacht, dass je mehr „Geld“ auf das Streaming-Wallet geschickt wird, desto mehr Bitcoins könnten „gemint“ werden. Nachdem die Währung das Wallet gewechselt hat, ist es zu spät. Die Kryptowährungen sind jetzt wie bei einer Überweisung auf das fremde Wallet eingegangen. Da es sich bei der Blockchain Technologie um eine dezentrale Erfindung handelt, sind hier keinerlei Dritte daran beteiligt, wie man es bei Banken kennt. Niemand ist in der Lage, eine Transaktion rückgängig zu machen.
Andere Maschen zielen auf das Hacken der Wallets ab. Da sind dann Schadsoftware im Spiel, die mithilfe von Links oder downloadbaren Dateien auf dem Computer der Zielperson installiert werden. Die Betrugsmaschen können sehr unterschiedlich ausfallen, aber dies sind so die am meisten Verbreiteten.Es wird also meistens auf die Unwissenheit der Opfer abgezielt.
Wie kann man sich vor solchen Betrugsmaschen schützen?
Valentin Schulte: Aus Gründen der Vorsicht ist folgendes ratsam:
- Lassen Sie die Finger von den Investitionen in Kryptowährungen, wenn sie keine vertrauenswürdige Person kennen, die sie richtig einweist oder selbst keinerlei Erfahrungen auf diesem Gebiet haben. Ansonsten gelten die allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen, die im Internet zu beachten sind.
- Keine Geschäfte mit Leuten, die sie nicht kennen.
- Klicken Sie nicht auf Links und downloadbare Dateien, die Ihnen nicht bekannt sind.
- Zusätzlich können sie ein sogenanntes Hardware-Wallet für ihre Kryptowährungen verwenden. Dabei handelt es sich um eine Hardware, die mit ihrem digitalen Wallet verbunden wird, und auf welcher “ihre Zugangsdaten” zur Blockchain gespeichert sind. Jedes Mal, wenn Transaktionen erfolgen, muss ein Code auf diesem Hardware-Wallet eingegeben werden. Ganz ähnlich wie die 2 Schritt Authentifikation von Banken.
Was können Geschädigte tun, wenn eine Betrugsmasche Erfolg hat?
Valentin Schulte: Betroffene sollten sofort handeln – Zeit ist Geld. Um ihr Geld wieder zurückzubekommen, darf den Betrügern keine Zeit geschenkt werden, um das Geld weiter zu transferieren. Betroffene sollten sofort alle Kommunikationsdaten speichern, alle Login-Daten der betroffenen Accounts ändern, Absicherung des Online-Bankings, Blockchain-Transaktionsdaten speichern und dann mit einem Experten für Anlagebetrug versuchen, das Geld zurückzufordern. Es ist technisch möglich, verlorenes Geld auf der Blockchain nachzuverfolgen. Wir arbeiten zum Beispiel mit anderen Rechtsanwaltskanzleien im Rahmen des Projekts ABOWI-Law zusammen. Des Weiteren können strafrechtliche Ermittlungen angestrengt werden. Auch eine zivilrechtliche Inanspruchnahme der Empfänger oder Beteiligter Dritter sollte geprüft werden. Die Polizeien der Länder und die Staatsanwaltschaften haben im Übrigen teilweise sehr stark aufgerüstet und sind aktiv.
Vielen Dank für diesen sehr informativen Einblick.
V.i.S.d.P.:
Jean-Pascal
Jura Student an der Viadrina (L.L.B)
Über den Autor:
Jean-Pascal ist Jurastudent an der Viadrina (L.L.B) und Blogger für ABOWI UAB seit 2022. Zukunftsorientiert ist Jean-Pascal in Bezug darauf, was die Blockchain-Technologie noch bringen wird. Digitalisierung schafft neue Wege für Wirtschaftlichkeit und Effizienz in allen Bereichen, die in der Kommunikation und Diskussion von uns aufgegriffen werden. Du erreichst uns unter abowi.com.
Kontakt:
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Die Kanzlei Dr. Schulte Rechtsanwälte ist seit 1995 erfolgreich zivilrechtlich schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des Internets-, Reputations- und Wettbewerbsrecht tätig. Sie vertritt bundesweit die Interessen einzelner Anleger. Ergänzende Absenderangaben mit dem Kanzleistandort finden Sie im Impressum auf der Internetseite www.dr-schulte.de.